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Allerheiligen. Ein verregneter, stiller Feiertag.
In Gedenken an Verstorbene. An Märtyrer, Helden, Heilige. For all the Saints.

Wie blasphemisch ist es da, nicht die kaprizierten „Heiligen” der christlichen Tradition zu ehren — sondern den Mythos des heldenhaften Märtyrers (mit höchst kritischer Intention) auf die Gegenwart zu transkribieren.

Und wie hoch darf und kann man die metaphorischen Erklärungsebenen einer Installation stapeln.
Wie viel „netzpolitisches” Vor- und Grundwissen kann man voraussetzen an einem solchen Ort.

Silo. Phallischer Ort Heiligenhaus’ neuerer Stadtentwicklung.
Historisch und nun wieder entdeckter Ort des Absentierens.
Wenig ingeniöse Gestaltung mit naheliegensten, Symbolobjekten.

Nächster Halt Heiligenhaus Hauptbahnhof. Letzter Ausstieg am Wagenende. Dort hinten vorn.

Doch beim näheren Hinsehen: Leere, tote Hüllen. Potemkinsche Dörfer. Scheinbarer Fortschritt in historischer Kostümierung.
Ein Schein-Ort aus dem Reißbrettkabinett der Städteplaner.

Dem Zeitgeist der defätistischen Bemühungen von Verwaltungen um zurückhaltend kultureller Schönfärberei geschuldet – ein Ort der für Heiligenhauser Verhältnisse geradezu außergewöhnlich progressiv künstlerisch aufgeladen.

Grund genug, genau diesen Ort für unsere Installation auszuwählen. Auch und nicht zu Letzt aus Trotz bisher nicht offiziell zur Partizipation an mit und bei diesem Ort eingeladen worden zu sein.

Installation zweier Gestalten

Material-technisch ein Sequel zu den tanzenden Gestalten aber dennoch weiter- und fortentwickelt bis hin zur gänzlich inhaltlichen Unterscheidung.
Nicht mehr tanzend sind sie nun gefüllt mit Presse, Medien, Zeitung. Informationsfetzen. Nicht mehr erkenn- oder gar kompilierbare Eingaben Dritter.
Dadurch gewannen sie an Profil, Dreidimensionalität, Personae.
Aber dennoch abstrakt weiß wie eine noch zu füllende Stellvertreterfigur. Und transparent!

Ihre Identität erhalten sie durch die maskenhaft zweidimensionale Gesichter.
Sitzend Julian Assange.
Außerhalb der „Netzgemeinde™” durchaus Ordonnanz der gegenwärtig aufkeimenden neuen Ideologie einer technokratischen Informationsgesellschaft als desperate Alternative zu versagenden Gesellschaftssystemen des letzten Jahrtausends.
Narzistische Figur eines Rebellen in Tradition mit den Mitteln und Waffen der heutigen Zeit – Technik und Information.
Ein Robin Hood des beginnenden digitalen Zeitalters. Ein Ché des Internets. Ein Luther, kein Ghandi, ein King. Selbsternannt.
Hat er das Zeug dazu, ein Heiliger der Neuzeit zu werden?
Natürlich, selbstverständlich und selbstredend nicht „von Gottes Gnaden”! Die heilige römisch-katholische Kirche empfindet zeitgemäße Liberalität darin, nach Josemaría Escrivá de Balaguer y Albás nun den gütigen Solidarność-Popen in den den Stand eines Heiligen zu hieven. Die selige erste Station hat Karol ja bereist erreicht.
Aber ab davon (ab im Sinne von abgewandt, wie es eine stetig wachsende Zahl „aufgeklärter” Menschen von „der Kirche™” sind) sind in der Populärkultur der heutigen Zeit Fragmente vieler Traditionen, Riten und Gebräuche verschiedenster Kulturen mit (selbst-)geschaffenen Einflüssen junger und jüngster Geschichte zu einem unscharfen Amalgam verschmolzen.
Somit verliert die christliche Tradition stetig an Einfluss und Macht, da in die Rollen von sog. Heiligen – jene Halb- und Nebengötter, die Aufgrund des vermeintlichen Monotheismus eines zutiefst eifersüchtigen aber vermeintlich einzigen Gottes etwas abgewandelt (und in christlich verbrämte Liturgie gepresst) werden mussten um die Riten der Vielgötterei einzunehmen – heute von allerlei Pop-Stars politischer, künstlerischer, wissenschaftlicher oder sonst wie gearteten Ersatzreligionen besetzt werden (können).
Aber diese (fundamentale) Religionskritik ist in diesem Zusammenhang sehr stark konstruiert und eigent- und lediglich dem (willkürich und zufällig) gewählten Tag geschuldet.
Verzeihung. Der Autor hört in Gedanken schon das WRINT’sche Glöckchen.
Back to topic!

Julian Assange. Verfolgt von den Übermächtigen. Bedroht und inszeniert. Vor allem Inszeniert.
Er sitzt. In einem Waggon zwar – der aber skelettiert und abgehängt stillsteht. Semantisch für Fortbewegung und Reise stehend, doch ob seiner Außerbetriebnahme mit weiterer Symbolik belegt. Assange also sitzend – als Metapher für seine Immobilität im (derzeit) „equadorianischen” England.

Hinter ihm eine weitere Gestalt im Halbschatten – stehend – die ihm ihre Hand auf die Schulter legt. Ob dies freundschaftliche Unterstützung oder ein Symbol für „Zurück-Haltung” ist bleibt bewusst offen. Beides ist möglich.

Welche Bedeutung die Mütze haben soll — [_BLÄNK].

Zusätzliche und weitere Erklärungsebenen dieses Kunstwerkes überlassen wir vor Ort den Passanten und hier den Kommentatoren…

Some days later …

Neulich habe ich Julian Assange und seinen Hintermann regelrecht exekutiert in der Gosse vorgefunden. Die tödlichen Wunden am Nacken und Hinterkopf  lassen leider keinen anderen Schluss zu. Hände und Füße wurden amputiert und insbesondere der Hintermann teilweise ausgeweidet. Wie zu einer Warnung wurde Julian mit blauer Farbe mit einem anarchistischen Zeichen und zur Verhöhnung mit einem Smily und sexistisch besprüht. Wollten hier die Täter eine falsche Spur legen? Auch die verantwortlichen Behörden schweigen zu den Untersuchungen. Sind sie bereits eingestellt worden? Hatte Julian vielleicht doch Recht, wenn er sich durch die Amerikaner verfolgt und Bedroht fühlte. Wird dieses grausame Verbrechen je aufgeklärt werden?

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